Roman der Frauenliebe / 272 Seiten / Pb / € 19,80
Buch: 978-3-937592-50-3
E-Book: 978-3-937592-51-0
Das Rückcover:
Herausgegeben von Dr. Wolfram Frietsch
Gynandria, ein sprechender Name, vereinigt in sich die beiden altgriechischen Worte für Frau und Mann. Die Botanik kennt gynandrische Blüten, wo die männlichen Staubblätter mit dem weiblichen Stempel fest verwachsen sind.
Für Péladan wird der Name zum Programm: Er schickt den jungen Mann Tammuz (chald. „Gott der Liebe“) auf eine Art Mission. Im Milieu der Pariser Frauenliebe wird er die weibliche Lust und insbesondere die lesbische Liebe ergründen. Ausgestattet mit einer eher androgynen Natur gelingt es Tammuz, das Vertrauen innerhalb der einzelnen Frauengruppen zu gewinnen. Doch nach und nach begegnen ihm neue Facetten der weiblichen Gefühlstiefe, die das Denken und die Empathie des Forschers an Grenzen führen.
Die sprachliche Sicherheit und Schönheit des Ausdrucks zeigt sich in diesem jüngeren Meisterroman Péladans omnipräsent. Gynandria weist den Dichter auch 120 Jahre später noch als mutigen Grenzüberschreiter und „Reformator der Liebe“ aus.
Die „Rolle der Frau“ in Péladans Werk mag der Moderne gegenüber sperrig anmuten dort, wo das „Weibliche“ romanhaft sakralisiert wirkt. Zugegeben schildert Gynandria – bei aller Wertschätzung – von einem männlichen Blickwinkel aus, der offen und vorurteilsbeladen zugleich bleiben muss.
Péladan feiert die Sprache, das gilt für seinen Roman Gynandria. Sicherheit und Schönheit des Ausdrucks beugen sich keiner auch noch so traurigen Realität. Gerade vor dieser scheut der Dichter jedoch nie zurück, vielmehr ruft sie ihn auf den Plan. Seine Sympathie gehört der Leidenschaft und dem Irrtum der Jugend. Die daraus entstehende Traurigkeit will durchlitten werden, für Péladan die Basis, um sie zu überwinden zu können, und die es für ihn zu mitunter auch zu erhöhen und verklären gilt. Folgender Wortwechsel mag zum Abschluss dienen, nicht nur Verständnis, sondern auch Empathie für Einstellungen aufzubringen, die zu kennen erforderlich, anzuwenden hingegen überholt sind:
„Tammuz liebt Tammuz?“
„Nein, Tammuz liebt die Liebe und nicht irgendeine Verliebte.“
(Péladan: Gynandria, Seite 251)
Gynandria, 1891 erschienen, zählt zu den ersten Meisterromanen Péladans. Er fällt also in eine Zeit, die den jungen Dichter noch nicht als jenen „Reformator der Liebe“ ausweist, als den man ihn später ehrt. Der noch frühere Roman Einweihung des Weibes (1886) sucht die geschlechtliche Liebe noch wie etwas Tierisches zu überwinden, sie sozusagen dem „traurigen Gesetz des Körpers“ abzuringen. In späteren Werken wird Péladan der sinnlichen Liebe gegenüber mehr Vertrautheit entgegenbringen, wenn auch mit dem Ziel, sie zu vergeistigen. So lässt er etwa 20 Jahre später die Heldin des Romans Una cum uno verkünden:
„… es gibt nur eine Rechtfertigung für die Lust: das ist die Liebe“.
Für Péladan ist die Liebe Gottesdienst. Seine Erotik bleibt immer höchst moralisch: Er wirbt für die Heiligkeit der Ehe. Jeder junge Mann sollte die Ehrfurcht vor dem Göttlichen im Weibe erlernen, eine Tradition wie sie die nach der „reinen Minne“ strebenden Fideli d‘amore kannten. Jede Frau sollte sich ihrer Würde bewusst werden, sich geadelt fühlen.
Die Wahl der Bezeichnung „Gynandria“ begründet Tammuz so:
„Ja, der Androgyn ist der reine und noch weibliche Jüngling; die Gynandre wird die Frau sein, die auf die Männlichkeit Anspruch macht …“.
Auf die Bemerkung seines Freundes, des berühmten und gelehrten Romanciers Nergal, dass von diesen beiden Ausdrücken der erste einen guten und der zweite einen bösen Sinn habe, antwortet Tammuz:
„Der eine stammt aus der Bibel und bezeichnet den ursprünglichen Zustand des menschlichen Wesens: die griechisch-katholische Überlieferung hat ihn geweiht. Den andern entnehme ich der Botanik, und ich taufe damit nicht die Perverse, sondern jede Neigung der Frau, den Mann zu spielen: sowohl eine Mademoiselle de Maupin wie einen Blaustrumpf.“
(Péladan: Gynandria, Seite 44)
Tammuz sieht sich nicht nur als Mann, sondern mehr als Wandler, Verwandler und Alchimist, der die Welt umgestalten kann:
„Ich bin ein Alchimist, der die Quintessenz der Seele statt der des Körpers sucht. Wie die Alchimisten auf dem Wege nach dem Stein der Weisen die ganze Chemie entdeckt haben, so entdecke ich seelische Gesetze, indem ich meine Erfahrungen über das lebende Wesen verfolge. Sie sind ein Athanor, das heißt, ein Gefäß, in dem das Rätsel ruht: ich heize Sie mit verschiedenen Feuern, ich behandle Sie mit gewissen Reagentien“ .
(Péladan: Gynandria, Seite 212)
Der Autor:
Joséphin Péladan (1858–1918), oder wie er sich selbst nannte: Sâr Péladan, gehört mit seinen Romanen auf eine Stufe mit Joris-Karl Huysmans oder Gustav Meyrink. Dem Grenzüberschreiter geht es um die „Innenräume der Seele“ (Hermann Bahr), die er dichterisch erkundet und womit er zu einem Zeitzeugen besonderer Güte wird. Sein Gesamtwerk beinhaltet etwa 65 Publikationen, wobei neben den Romanen und Dramen auch zahlreiche philosophische Werke, solche der Kunstgeschichte und wissenschaftliche Schriften Bedeutung erlangten. Péladans Romane gedeihen in der Atmosphäre eines Symbolismus, in der Theosophie, Magie, Okkultismus und geheime Rituale eine zentrale Rolle spielen. Sie stellen psychologische Kleinodien dar, die geprägt sind vom Glauben an ein Menschsein, das veredelt werden kann. Alle seine Romane treten aus der Sphäre der Konfrontation aus und sind dennoch rational und analytisch. Schuld und Unschuld gepaart mit Freiheit und Notwendigkeit werden dabei nicht zum Verhängnis, sondern zu einem Moment von Befreiung.
Der Inhalt:
Vorwort des Herausgebers
Erstes Buch – Die Orchideen
Zweites Buch – Royal Maupin
Drittes Buch – Pentapolis
Viertes Buch – Das Schloss von Leukadia
Fünftes Buch – Die fliegende Gräfin
Sechstes Buch – Die Erlösung